Neue Routinen für eine neue Realität
Gibt es etwas Normaleres, als eine Einkaufsliste zu schreiben? Wir alle haben das schon unzählige Male getan, genau wie vor uns auch unsere Eltern und Großeltern.
Generationsübergreifend war es die perfekte Strategie, mithilfe von Stift und Papier die Einkäufe der nächsten Woche zu planen. Die Umsetzung war genau so analog, unkompliziert und vorhersehbar. Und so auch die Lieferkette, die sich um die gefüllten Regale im Supermarkt kümmerte.
Doch das vergangene Jahr hat unsere täglichen Routinen etwas durcheinandergebracht. Bei vielen hat sich das Einkaufsverhalten geändert, was zu einem großen Boom des E-Commerce geführt hat. Diese Veränderungen im Verbraucherverhalten haben den Lebensmittelhandel vor große Herausforderungen gestellt – es ist an der Zeit für smartere Strategien.
Wir sich E-Commerce auch bei Lebensmitteln weiterhin durchsetzen?
Vor COVID-19 war es die natürlichste Sache der Welt, in den Laden zu fahren, nach und nach die Produkte der Einkaufsliste in den Wagen zu legen (und sich von ein paar zusätzlichen Dingen verführen zu lassen), die Sachen zu bezahlen und sie nach Hause zu bringen. Damals lag der E-Commerce-Anteil bei den meisten Lebensmittelhändlern weltweit zwischen einem und drei Prozent – nicht gerade ein Grund zur Freude.
Doch als die verschiedenen Regionen von der Pandemie betroffen waren, wurde das Einkaufen von zu Hause aus und die Lieferung von Lebensmitteln (oder deren Abholung im Geschäft) plötzlich immer beliebter – ganz einfach darum, weil es sicherer war. Innerhalb weniger Wochen explodierte der E-Commerce-Anteil und erhöhte sich zum Ende von 2020 in vielen Regionen auf ca. zehn Prozent der Gesamtverkäufe. Doch wird dieser Trend auch anhalten, wenn die Gefahr durch COVID-19 gebannt ist?
Kurzgesagt: Expertinnen und Experten bejahen dies. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die wahrscheinlich vor der Pandemie ihre Einkäufe niemals online getätigt hätten, wissen jetzt, dass der Einkauf online nicht nur sicherer, sondern auch praktischer ist. In vielen Haushalten wurde die analoge Einkaufsliste durch den virtuellen Einkaufswagen ersetzt – plus praktische Erinnerungen, Rezeptvorschläge und viel mehr.
Von Woche zu Woche verwandelte sich das virtuelle Einkaufserlebnis während der Pandemie immer mehr in eine tägliche Gewohnheit. Als Ergebnis erwarten Expertinnen und Experten nach der Pandemie je nach Region einen E-Commerce-Anteil im Lebensmittelsektor von 15 bis 25 Prozent. Und dieser bedeutende Anstieg führt dazu, dass Lebensmittelhändler ihr Lieferkettennetzwerk komplett neu strukturieren müssen.
Der Umgang mit wechselnden Kundenerwartungen
Abgesehen davon, dass sie sich auf die Bewältigung eines erheblichen E-Commerce-Volumens vorbereiten müssen, stehen Lebensmittelhändler vor einer weiteren Herausforderung: Da dieser E-Commerce-Channel für die meisten von uns noch neu ist, sind wir gerade dabei, herauszufinden, was wir überhaupt wollen. Die Erwartungen auf Diensleistungsebene müssen noch definiert werden, und ebenso die unterschiedlichen Wege, mit denen Unternehmen potenziell auf diese Erwartungen antworten können.
Es ist für beide Seiten ein Lernprozess, doch Lebensmittelhändler müssen schneller lernen. Sie müssen sich aktiv um Feedback ihrer Konsumenten bemühen und sich daran anpassen. Und das Feedback ist zwar wichtig, doch Zugriff auf Verbraucher- und Bestelldaten ist unabdingbar. Daten sind der heilige Gral für zukünftiges Wachstum – und das aus mehreren Gründen.
Einerseits ermöglichen sie ein individuelleres Kundenerlebnis: Da Onlinekäuferinnen und -käufer genau wissen, was mit der Bestellung geschieht und wann sie ausgeführt wird, profitieren sie von einem besseren Einkaufserlebnis. Andererseits ermöglichen Daten den Supermärkten bessere Vorhersage- und Auffüllalgorithmen, wodurch ihre Lieferketten effizienter gestaltet werden können. Doch um diese Daten zum Vorteil einsetzen zu können, müssen Supermärkte erst die richtigen Strategien finden und sich ein vollständiges Bild machen.
Der Vorteil, die jeweiligen Einkaufslisten zu kennen
Seit Beginn der Pandemie befinden wir uns in einem Zustand konstanten Wandels. Eine steigende Anzahl an Verbraucherinnen und Verbrauchern nutzen E-Commerce-Angebote, und Supermärkte müssen noch Wege finden, damit umzugehen. Und im Moment der anfänglichen Ungewissheit betrat ein weiterer Akteur die Bühne: Lieferdienst-Drittanbieter mit externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Bestellungen im Supermarkt zusammenstellen, entweder zur Abholung durch die Verbraucherinnen und Verbraucher oder direkt zu ihnen nach Hause.
Zugegebenermaßen ist das eine riesengroße Aufgabe, die viele zunächst für unvorstellbar hielten. Es ist kein Geheimnis, dass die Abwicklung von E-Commerce-Bestellungen kostspieliger ist als das Auffüllen in den Geschäften – und dass die Gewinnspannen im Lebensmittelhandel ohnehin ziemlich überschaubar sind.
Doch durch die aktuelle Veränderung müssen Supermärkte ihr Unternehmen auf die Zukunft vorbereiten. Ihre Situation ist vergleichbar mit dem Beginn des E-Commerce-Boom von allgemeinen Handelswaren und Kleidung. Viele Händler wussten da nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollten. Jahre später war es für viele Unternehmen zu spät für eine Reaktion auf die Tatsache, dass der E-Commerce zur festen Größe geworden war.
Supermärkte müssen von aus diesen Fehlern lernen können und sich auf den richtigen Weg zur Retabilität bewegen. Sie müssen außerdem die Fähigkeiten entwickeln, Daten angemessen an jeder Stelle der Lieferkette zu verfolgen. Denn jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür, nicht nur auf veränderte Umstände zu reagieren, sondern auch strategisch für zukünftiges Wachstum zu planen.
Zeit, den E-Commerce an die Realität nach COVID-19 anzupassen
In Regionen wie Nordamerika haben Lieferunternehmen wie InstaCart und Shipt schnell die dominate Position bei den E-Commerce-Verkäufen im Segment der Supermärkte eingenommen. Die Einkäuferinnen und Einkäufer der Unternehmen sind viel in den Supermärkten unterwegs und sorgen für Frust auf Seiten der regulären Kundinnen und Kunden. Andere Regionen wie Europa und Asien-Pazifik verzeichnen noch nicht diese Konkurrenz auf dem Gebiet der Lieferunternehmen, doch auch hier werden die Gänge von den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern blockiert, die Onlinebestellungen packen.
Lieferunternehmen führen auch bei den Läden selbst zu noch mehr Frustration, denn die Unternehmen verfügen über die Verbraucherdaten, was die Supermärkte daran hindert, E-Commerce-Käufe an spezifische Personen zu binden.
Um also einen vollständigen Überblick zu haben und Daten richtig einzusetzen, müssen Supermärkte einen Weg finden, die Lieferunternehmen zu umgehen. Und der beste Weg, dies zu tun, ist durch die Bereitstellung eines eigenen Service für die Verbraucherinnen und Verbraucher – doch auf einer eigenen Plattform, die eng mit den eigenen Läden verbunden ist.
Und was ist mit der guten alten Einkaufsliste? Müssen wir uns schon bald von Stift und Papier verabschieden? Wahrscheinlich nicht. Doch diese Listen werden zunehmend auf unseren Smartphones und Computern erstellt – denn der E-Commerce wird neue Routinen für neue Situationen schaffen.