Hochautomatisierte Logistikzentrum für die Mammut Sports Group
Anfangs favorisierten die verantwortlichen Entscheider des Sportausrüsters Mammut zunächst eine manuelle Lagerlösung, entschieden sich aber nach umfassender ROI-Analyse für ein automatisches Distributionszentrum von Dematic.
Mammut hat zusammen mit einem Investor ein Konzept für ein manuell bewirtschaftetes Lager ausgearbeitet. Die hohen Betriebskosten für das Lager bewogen Mammut jedoch dazu, das Konzept vor der Realisierung nochmals zu hinterfragen.
Dematic erhielt als Lösungsanbieter die Aufgabe, das manuelle Konzept gegen eine Teil- bzw. Vollautomatisierung zu prüfen. Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten von Dematic waren der gute Ruf bei Lagertechnologie für hohe Kommissionierleistungen und der Marktvorsprung im Bereich der Shuttle-Technologie.
Ausgangslage
Allein im letzten Jahr ist die zum Conzzeta Konzern gehörende Mammut Sports Group (MSG) mit Hauptsitz in Seon / Schweiz im Vergleich zum Vorjahr um rund 10% gewachsen. Dazu trugen die Wachstumsmärkte in Asien, z.B. Südkorea, ebenso aber auch der in Europa wichtigste Markt Deutschland bei. So musste Mammut seit der Gründung der deutschen Niederlassung in Memmingen im Jahr 1987 bereits zwei Mal umziehen.
In der Vergangenheit hatte Mammut in Europa zwei Hauptlager, eines in Seon in der Schweiz und eines in Memmingen. Aus Platzgründen waren beide Lagerstandorte zudem noch in mehreren Gebäuden untergebracht. Die Verzollung erfolgte beim Eingang (Inbound) ins Lager, das bedeutete jedoch, dass bei Lagerverschiebungen im Sinne der Bestandsoptimierungen ein zweites Mal Zoll anfiel. Somit galt es neben der Redundanz der Hauptlager eine erhebliche Komplexität über die verschiedenen Lagerorte zu bewältigen und in der Warenlogistik neue Wege einzuschlagen.
Aus strategischen Gründen und da ca. 70% des Umsatzes überwiegend in der EU erwirtschaftet werden, fiel die Entscheidung für ein Zentrallager in Deutschland.
Mit dem neuen Konzept ließ sich bereits die Gesamtinvestition in Gebäude und Logistik von 27,5 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro senken. Dazu trugen vor allem die geringeren Baukosten aufgrund des um 30.000 m³ auf 130.000 m³ reduzierten Raumbedarfs bei. Durch den größeren Baukörper und viel mehr Geschossfläche waren für das manuelle Lager Baukosten in Höhe von 22,5 Millionen Euro veranschlagt. Mit der hochautomatisierten Lösung konnten diese auf 15 Millionen Euro reduziert werden.
Zudem bietet das Konzept mit seinen Erweiterungsoptionen Platz für weiteres Wachstum in den nächsten Jahren. Und im Hinblick auf die Betriebskosten wären neben den Lohnkosten für einen höheren Personaleinsatz vor allem immense Heizkosten auf Mammut zugekommen, da bei einer manuellen Lösung alle Lagerbereiche auf mind. 18 °C geheizt werden müssen. In der von Dematic konzipierten Lösung fallen im 90.000 m³ großen Hochregallager nur minimale Kosten für Heizung und Beleuchtung an.
Von der Vertragsunterzeichnung bis zur geplanten Inbetriebnahme hatte Dematic nur 17 Monate Zeit für die Realisierung des neuen Lagersystems. Mammuts Zielvorgaben waren ebenso ambitioniert: Umstrukturierungen und neue Prozesse in der Supply Chain sowie Vorbereitung und Durchführung des Umzugs von den verschiedenen Lagerstandorten nach Wolfertschwenden.
Das Ergebnis ist sowohl optisch als auch technologisch beeindruckend. Der Gebäudekomplex in Form eines schwarzen Kubus setzt architektonisch neue Maßstäbe. Energetisch gesehen, entspricht das Gebäude dem Green-Building-Standard. Entsprechend umfassend sind die Dämmmaßnahmen und es ist mit intelligenten Kühlungs- und Lüftungssystemen mit Wärmerückgewinnung sowie innovativen Heizungsanlagen und einem intelligenten Energiemanagement ausgestattet.
Der Prozess
Im Wareneingang werden die Kartons direkt aus dem Container manuell auf einen Teleskopförderer gelegt und anschließend automatisch über Barcode erfasst und als kleine (400 x 600 mm) oder große (800 x 600 mm) Kartons mit der entsprechenden Höhenklasse identifiziert. Die enthaltene Artikel-Stückzahl ist im Barcode des Lieferanten hinterlegt und wird durch Wiegen nochmals kontrolliert. Mischkartons oder beim Transport beschädigte Kartons werden zu einem Umpackplatz befördert und in artikelreine und neue Kartons umgepackt.
Sämtliche Kartons werden zunächst im sechsgassigen AKL mit 140.000 Stellplätzen eingelagert. Die sechs Regalbediengeräte (RBG) vom Typ RapidStore ML20 können zwei kleine Kartons gleichzeitig aufnehmen und pro Fach dreifachtief ein- oder auslagern. Dazu ist jedes RBG mit einem entsprechenden Lastaufnahmemittel (LAM) sowie einem weiteren Hubschlitten als Erweiterungsoption für ein zweites LAM ausgestattet. Das AKL dient vor allem zur Nachschubsicherung: Für die Kommissionierung benötigte Artikel werden von hier in das Multishuttle umgelagert. Nur große Kartons werden direkt aus dem AKL in den Kommissionierbereich befördert und als Anbruchkartons auch wieder eingelagert. Zugleich ist das AKL ein Zwischenlager für voretikettierte Kundenkartons, die im Cross Docking Verfahren direkt in den Versand gefahren werden können. Das bedeutet, dass diese Kartons nach dem manuellen Entladen aus dem Container erst wieder von einem Mitarbeiter berührt werden, wenn das Versandetikett aufgeklebt wird.
Das Herzstück der Anlage ist das viergassige Multishuttle 2-Kommissionierlager mit zwölf Ebenen für 20.000 Stellplätze. Je Regalebene kommt ein eigenes Shuttle und je Gasse ein eigner Lift zum Einsatz, so dass Ein- und Auslagerungen simultan auf verschiedenen Ebenen mit bis zu 600 Doppelspielen pro Stunde und Gasse erfolgen können.
Technische Daten
- 6-gassiges automatisches Kleinteilelager (AKL) mit Dematic Regalbediengerät RapidStore ML20 und 140.000 Stellplätzen bei dreifach-tiefer Einlagerung
- 4-gassiges Multishuttle Kommissionierlager mit 12 Ebenen und 20.000 Stellplätzen, bis zu 600 Doppelspiele pro Stunde und Gasse
- Sequenz-Tower erlaubt die Vorsortierung, Verdichtung und Andienung der Pakete in der gewünschten Reihenfolge (z.B. abverkaufsorientiert, schwere Artikel unten)
- 4 ergonomische Kommissionierstationen, ausgestattet mit Bildschirmen und Pick-by-Light Anzeigen
- Rund 400 Orderlines pro Arbeitsplatz und Stunde
- Ein Value Added Service (VAS)-Arbeitsplatz erlaubt kundenspezifische Etikettierungen
- 4 Packstationen für Versandbearbeitung
Im Multishuttle werden lediglich diejenigen Mengen bevorratet, welche in absehbarer Zeit kommissioniert werden. Die Höhe des Kommissionierlagers entspricht daher nur der halben Höhe des AKL, wodurch es möglich war die Anlage im Obergeschoss zu platzieren. Damit konnte mehr Platz im Erdgeschoss für Warenein- und -ausgangsfunktionen freigehalten werden.
Im Sequenz-Tower werden die aus dem Multishuttle ausgelagerten Kartons für die verschiedenen Aufträge vorsortiert und verdichtet, um sie anschließend in der gewünschten Reihenfolge zu den direkt dahinter liegenden Kommissionierplätzen zu befördern. So können z.B. erst schwere Artikel und dann Kleidung nach Größe und Farbe sortiert werden, so dass sie später im Einzelhandel gleich in der richtigen Reihenfolge hintereinander ausgepackt und aufgehängt werden können.
Mit Hilfe eines Pick-by-Light-Systems können an jedem der vier Kommissionierarbeitsplätze bis zu drei Aufträge gleichzeitig bearbeitet werden. Dafür erhalten die Mitarbeiter über einen Bildschirm klare Anweisungen sowie eindeutige Lichtsignale an den drei Packfächern. Leuchtziffern geben zudem an, wie viele Artikel aus dem gerade herangefahrenen Karton entnommen werden müssen. Wurde die Menge bestätigt, fährt der Artikelkarton wieder ins AKL oder sofern einer der kleinen Kartons noch für einen nächsten Auftrag benötigt wird, kommt er zurück ins Multishuttle.
Ist der Kundenkarton voll, bekommt der Mitarbeiter angezeigt, dass dieser abzuschieben ist und er einen neuen Kundenkarton aufstellen soll. Rund 400 Auftragszeilen mit durchschnittlich drei Artikeln lassen sich so pro Arbeitsplatz und Stunde realisieren.
Mammut hat im Wesentlichen zwei Saisonspitzen in denen die Fachhändler ihre Pre-Order-Lieferungen mit den neuen Kollektionen erhalten. So sind fast 80 % der Lieferungen vorab planbar. Das hört sich logistisch komfortabel an, die besondere Herausforderung bei Mammut ist aber, dass vielfach relativ wenig Artikelkartons existieren und alle Aufträge darauf zugreifen wollen.
Einige Aufträge müssen zusätzlich vorab am ebenfalls systemunterstützen Value Added Service (VAS)-Arbeitsplatz für kundenspezifische Etikettierungen bearbeitet werden, der direkt neben den Kommissionierplätzen liegt und an die automatische Fördertechnik angeschlossen ist. Hier werden spezielle Auszeichnungen oder kundenspezifische Label-Größen und Label-Designs an der Ware angebracht, Kleiderbügel entfernt oder spezielle Kartons eingesetzt. Anschließend erhalten die behandelten Waren eine eigene Produktnummer, denn diese sind nun einem bestimmten Kunden zugeordnet.
Von der Kommissionierstation geht es per Lift runter ins Erdgeschoss zu den vier Packstationen. Hier legen die Mitarbeiter Lieferscheine und sonstige Versandpapiere in die Kartons, polstern die Ware, wenn erforderlich, aus und versehen den verschlossenen Karton schließlich mit einem Paketlabel. Die letzte Fahrt im Europa Logistik Center geht über ein Transportband entweder zu einem Palettenplatz, um per Spedition versendet zu werden oder auf einen der beiden Teleskopförderer im Paketversand für Pakete in Deutschland und für Pakete in die Schweiz.
Gesteuert wird die Anlage mit dem Dematic Material Flow Controller (MFC). Er empfängt die Transportaufträge vom Warehouse Management System, berechnet die Transportstrecken und generiert und verwaltet die Transportaufträge nach Priorität, Reihenfolge, und Status. Zudem steuert der MFC die Fördertechnik und verwaltet den Anlagenzustand. Staus, etwaige Störungen und die tatsächliche Auslastung der notwendigen Betriebsmittel werden bei der Auftragsvergabe berücksichtigt.
Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine erfolgt am Leitstand mit Hilfe des Logistics Cockpit. Hier kann sich der Lagerleiter zahlreiche Informationen über den aktuellen Zustand der gesamten Anlage anzeigen lassen und die Prozesse und Funktionen effizient überwachen.
Ergebnis
Pünktlich zum geplanten Termin nahm das Logistikzentrum seinen Betrieb auf. Und auch die anspruchsvolle Hochlaufphase haben beide Partner erfolgreich gemeistert. So hat Mammut mit Dematic dann auch einen Servicevertrag für die Wartung und Instandhaltung sowie die Rufbereitschaft abgeschlossen.
Über den Kunden
Das Unternehmen wurde 1862 von Kaspar Tanner in Dintikon als Seilerei gegründet. Im Jahr 1981 kam die erste Kollektion von Mammut auf den Markt. Heute ist Mammut für immer mehr Alpinsportler ein zuverlässiger Begleiter in den Bergen – vom Kletterseil bis hin zu funktionaler Bekleidung und Schlafsäcken. Das Schweizer Traditionsunternehmen produziert und vertreibt Ausrüstung für Bergsport und Outdoor weltweit. Mammut ist einer der führenden Hersteller im Markt der Kletterseile.